«Eintopf statt Hundschopf»


Bernhard Russi über die Schlüsselstelle am Lauberhornrennen



Im Jahr 1967 wurde das erste Ski-Weltcuprennen am Lauberhorn in Wengen ausgetragen. Im gleichen Jahr betrat ein junger Skifahrer die Sportbühne. Er sollte zu einer Schweizer Skilegende werden. Die erste Abfahrt und seinen ersten Sprung über den legendären Hundschopf im Berner Oberland hat er noch immer vor Augen, auch wenn er bis heute rund 100 Mal über die anspruchsvolle Stelle geflogen ist. Der Routinier erzählt gerne von dem technischen Leckerbissen aus Eis und Schnee.

 

Bernhard Russi erinnert sich noch genau, wie schwierig es für die Fahrer war, den Hundschopf zu bewältigen: «Je höher die Geschwindigkeit, desto eher musste der Fahrer seine Kräfte beim Absprung verlagern, damit er nicht im unteren, flachen Teil landete. Vorspringen war mein Rezept. Aber wenn man zu wenig stark absprang, setzte man kurz vor der Kante nochmals auf. Sprang man jedoch zu stark oder zu spät ab, flog man zu weit.» Es ist eine Kunst für sich, denn das Tempo will der Fahrer auch hier möglichst hoch halten; es wird in gewisser Weise lediglich umgelagert, eine kombinierte und heikle Bewegung: Die Flucht nach vorne, über die Kante abtauchen und sich in der Luft möglichst klein machen.


Die Geschwindigkeit sei ein zentraler Aspekt, erklärt Russi. Würde man die Strecke heutzutage so stecken, wie man es vor 20 Jahren gemacht hätte, wäre der Hundschopf unfahrbar. Mit modernen Skis wären die Fahrer schlicht und einfach zu schnell. Sicherheit ist bei diesen Tempi sehr wichtig, daher wird seit einigen Jahren am Hundschopf, etwa zehn Meter vor dem eigentlichen Sprung, ein kleiner, künstlicher Schanzentisch gebaut. Er verhilft den Fahrern quasi automatisch zum optimalen Absprung. Etwas, das es zu Russis Zeiten noch nicht gab.



Sicherheit und Action


Generell scheint die Skilegende dem Nervenkitzel vieles abzugewinnen: «Der Sicherheitsaspekt hat einen wichtigen Stellenwert erhalten. Auch wenn die Streckenführung über die Jahre stetig sicherer geworden ist, bleibt der Faktor Mensch bestehen. Gute Vorbereitung und höchste Konzentration werden weiterhin von den Athleten gefordert, um eine anspruchsvolle Strecke meistern zu können.»

 

Ein winziges Absprungfenster und kaum Übersicht. Geschwindigkeiten von 70 bis 80 Stundenkilometern. Auf einer pickelharten bis eisigen Piste. Das klingt beängstigend. Russi bestätigt: «Der Hundschopf als Ganzes – inklusive der Kurve davor und der Ausfahrt in den Alpweg – ist eine der schwersten Stellen, die es im gesamten alpinen Skirennsport gibt. Allerdings verspürt der Athlet, wenn er mal in der Luft ist, und die Kontrolle über den Flug hat, ein enormes Glücksgefühl!» Fast wie bei einem Piloten, der mit seinem Flugzeug durch die Luft gleitet.

 

Russi sieht den Hundschopf als eine von vielen Herausforderungen auf einem Streckenteil mit mehreren kniffligen Stellen. «Eintopf statt nur Hundschopf», bezeichnet er den Abschnitt rund um den Sprung. Wobei ihn der Flug durch die Lüfte immer noch am meisten fasziniert – vor allem in skitechnischer Hinsicht: «Die Enge beim Absprung ist nicht schwierig, der Sprung selbst ist es. Es ist der Respekt davor, dass man zu weit fliegen könnte». Und nochmals holt er Tricks aus seiner Technikkiste: «Die Aerodynamik ist stets ein wichtiger Begleiter. In der Luft bleibt man so kompakt wie möglich, bis man kurz vor der Landung die Beine streckt. Ähnlich einem Flugzeug, das die Räder ausfährt.»